aktuelle SKOS Richtlinien

3. Fortführung der bisherigen Unterstützung

Sozialhilfe ist auch in besonderen und ausserordentlichen Lage individualisiert zu erbringen. Der allgemeinen Lage ist ebenso Rechnung zu tragen wie den Schutzbedürfnissen von Personen, die durch den Corona-Virus besonders gefährdet sind.

3.1 Persönliche Hilfe

Betroffene Personen können einen zusätzlichen Bedarf an persönlicher Hilfe haben, damit sie belastende Lebenslagen angesichts von Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu bewältigen vermögen (z.B. Persönliche Beratungsgespräche, Vermittlung von Hilfe beim Einkaufen für besonders gefährdete Personen).

3.2 Allgemeine Mitwirkungspflichten

Wer Sozialhilfe beantragt und bezieht, ist zur Mitwirkung verpflichtet. Für die Dauer der Epidemiemassnahmen ist jedoch zu berücksichtigen, welche Mitwirkung erbracht werden kann und welche nicht und welche Mitwirkung mit Blick auf die Ziele der Sozialhilfe in dieser Lage sinnvoll ist.

Auskunfts- und Meldepflichten betreffend die persönliche und finanzielle Situation gelten weiterhin (z.B. Bekanntgabe von Einkommens- und Vermögensverhältnissen, Grösse und Zusammensetzung der Haushaltsgemeinschaft, Familienverhältnisse, Verpflichtungen der materiellen Grundsicherung und Informationen zur Gesundheit). Veränderungen in diesen Bereichen sind unaufgefordert zu melden.

Pflichten zur Minderung der Bedürftigkeit gelten weiterhin, soweit dies während der Epidemiemassnahmen möglich ist (z.B. Geltendmachung von Drittansprüchen, Senkung von überhöhten Fixkosten).

Sozialdiensten wird empfohlen, unterstütze Personen schriftlich über eine allfällige Sistierung und ein erneutes Aufleben von Mitwirkungspflichten zu informieren.

3.3 Auflagen in Zusammenhang mit der Sozialhilfe

Auflagen müssen sich auf eine rechtliche Grundlage stützen und dem Zweck der Sozialhilfe dienen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist zu beachten, die Auflagen müssen für die betreffende Person unter Berücksichtigung ihrer individuellen Möglichkeiten zumutbar sein. Es sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:

  • Auflage lässt sich nicht erfüllen: Wenn sich seit Erlass einer Auflage die epidemiologische Lage so geändert haben, dass die darin vorgegebenen Pflichten nicht mehr eingehalten werden können, ist die Erfüllungspflicht vorläufig zu sistieren (z.B. Teilnahme an eingestellten Programmen).
  • Auflage ist nicht mehr verhältnismässig: Wenn sich seit Erlass einer Auflage die epidemiologische Lage so geändert hat, dass die vorgegebenen Pflichten theoretisch noch eingehalten werden können, aber nicht mehr verhältnismässig sind, ist die Erfüllungspflicht vorläufig zu sistieren.
     

Sozialdiensten wird empfohlen, unterstütze Personen schriftlich über eine allfällige Sistierung und ein erneutes Aufleben der für sie gesprochenen Auflagen zu informieren.

3.4 Einkommensfreibeträge und Integrationszulagen

Für die Erwerbstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt (Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende) und Bemühungen für die eigene berufliche und soziale Integration sind Einkommensfreibeträge und Integrationszulagen vorgesehen. Damit ein EFB oder eine IZU ausgerichtet werden kann, muss eine Arbeitsleistung oder Integrationsleistung erbracht werden. Auf Ersatzeinkommen (Taggelder von Sozialversicherungen) wird kein EFB gewährt, weil es an der erwarteten Arbeitsleistung fehlt.

 

3.5 Leistungskürzungen und Sanktionen

Wenn Sanktionen in der besonderen oder ausserordentlichen Lage vollzogen werden, muss deren Verhältnismässigkeit neu geprüft werden. Wenn eine Leistungskürzung im Umfang von 30% des Grundbedarfs vor Erlass der Epidemie-Massnahmen zumutbar war, bedeutet dies nicht, dass sie auch in der jetzt geltenden Lage noch zumutbar ist.

Dies muss insbesondere bei der Sanktionierung von Haushalten mit Kindern und Jugendlichen oder mit besonders gefährdeten Personen berücksichtigt werden. In solchen Fällen kann es angebracht sein, eine Leistungskürzung für die Dauer der besonderen oder ausserordentlichen Lage ganz oder teilweise zu sistieren.

Leistungskürzungen in der Form von Sanktionen dienen primär dazu, um unterstützte Personen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, wenn sie ihren Pflichten und Auflagen im Zusammenhang mit der Sozialhilfe bisher nicht nachgekommen sind. Soweit sich diese Auflagen aufgrund der besonderen oder ausserordentlichen Lage nicht mehr erfüllen lassen, sind daher grundsätzlich auch die betreffenden Sanktionen zu überdenken und ggf. vorläufig zu sistieren.

Bei wiederholtem und schwerwiegendem Fehlverhalten können Sanktionen vollzogen oder fortgeführt werden. In diesen Fällen dient die Leistungskürzung nämlich nicht (nur) einer Verhaltensänderung.

Sozialdiensten wird empfohlen, unterstütze Personen schriftlich über eine allfällige Sistierung und ein erneutes Aufleben der für sie gesprochenen Sanktion zu informieren.

​​​​​3.6 Leistungsreduktion zwecks Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen

Eine Forderung auf Rückerstattung kann mit der laufenden Unterstützung ratenweise verrechnet werden. Dabei sind die Vorgaben zum Umfang und zur Verhältnismässigkeit zu beachten, die auch bei Leistungskürzungen als Sanktion gelten.

Wenn eine Leistungsreduktion zwecks Rückerstattung vor Erlass der weitgehenden Epidemie-Massnahmen zumutbar war, bedeutet dies nicht, dass sie auch in einer ausserordentlichen Lage noch zumutbar ist.

3.7 Einstellungen wegen Verletzung der Subsidiarität

Die teilweise oder vollumfängliche Einstellung von Unterstützungsleistungen ist u.a. dann zulässig, wenn sich eine Person weigert, eine zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit anzunehmen oder einen ihr zustehenden, bezifferbaren und durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterhaltsbeiträge oder ein Ersatzeinkommen geltend zu machen.

Wo die Möglichkeiten zur Annahme einer bezahlten Arbeit aufgrund der Epidemiemassnahmen nicht mehr besteht, oder wo eine Geltendmachung von Drittansprüchen grundsätzlich möglich, aber aufgrund der Lage erschwert ist, sind die Voraussetzungen für eine (Teil-)Einstellung von Unterstützungsleistungen nicht erfüllt.

Bieler Tagung 2025